Wie können die großen Themen der nachhaltigen Entwicklung mit lokalen Aktion verbunden werden, die den Erwartungen der lokalen Bevölkerung gerecht werden? Hier berichten wir, wie wir uns dieser Herausforderung annähern. Die großen Themen sind das nachhaltige Entwicklungsziel 14 „Die Ozeane, Meere und Meeresressourcen schützen und dauerhaft für nachhaltige Entwicklung nutzen“ und die Umsetzung der Freiwilligen Leitlinien zur Sicherung der nachhaltigen Klein-Fischerei im Kontext der Ernährungssicherheit und Armutsbekämpfung (SSF-Richtlinien).

Die lokalen Aktonen bündeln verschiedene Aktionsstränge zu einem koherenten und dynamischen Ganzen. Senegal ist der Testfall. Was meinen wir damit? Und was ist eine Akademie der Kleinfischerei?

Mundus maris hat sich über die Jahre mit einer ganzen Reihe von Aktivitäten in den Gemeinschaften von Kleinfischern engagiert. Wir wollten Forschung betreiben und uns in Wissensverbreitung in einem partizipativen Arbeitsmodus engagieren. Man kann das als 'kritisch engagierte' Wissenschaft bezeichnen. Als Bestandteil unserer grundlegenden Aufgaben verringern wir die Zugangsschwellen und machen verbrieftes wissenschaftliches Wissen denen zugänglich, die davon sonst meistens ausgeschlossen sind. Das ist ein Bestandteil unseres Engagements, zum Meeresschutz beizutragen, Kulturen rund ums Meer und die Leute und Gemeinschaften, die dafür stehen, zu unterstützen. Wir sind besonders darauf aus, jungen Leuten Chancen zu eröffnen. So weit so gut. Was haben wir also gemacht und dabei gelernt? Und wie kann das bei der Umsetzung der SSF Richtlinien und Fortschritten beim nachhaltigen Entwicklungsziel 14 (SDG 14) helfen?

Wir haben damit angefangen, Fischern, Frauen in der Fischverarbeitung und -vermarktung und Fischhändlern, den Ältesten und Griots (Marktschreier und Geschichten-Erzähler) zuzuhören und ihren Alltag zu studieren. Wir wollten wissen, wie sie 'funktionieren' und welche Wertvorstellungen sie haben.

Dann, im Jahr 2011, begannen wir, Unterrichtshilfen über den Õkosystemansatz in der Fischerei für Schulen in Küstengebieten in West Afrika zu entwickeln. Wir führten diese Pilotarbeiten für das Fridtjof Nansen Projekt der FAO in Zusammenarbeit mit Direktoren und Lehrern von Schulen im Senegal und in Gambia durch. Wir wollten Material entwickeln, das mit den regionalen kulturellen Ausdrucksformen und Lehranforderungen kompatibel ist.

Ein Tag der Kultur, zu dem Mundus maris 2013 unter dem Thema "Die Schlacht für das Meer" in das prestige-trächtige Kulturzentrum Douta Seck in Dakar eingeladen hatte, war eins der Highlights auf dieser gemeinsamen Entdeckungsreise. Das Programm umfasste Elemente aus der Wissenschaft, der Kunst, die Stimmen von Ältesten aus den Fischergemeinschaften, Fischhändler und ein Schultheaterstück als Pladoyer für die Heilung der schlimm verschmutzten Bucht von Hann. Der Titel gab bereits die Richtung an: "Unsere kranke Nachbarin".

Gegen Ende der Pilotaktivitäten mit der FAO, veranstalteten wir auch einen Auswertungs-Workshop mit den involvierten Schuldirektoren und Lehrern, sowie Schulinspektoren und Studenten, um einige Lehren aus der Arbeit zu ziehen und nach vorn auf wünschenswerte Nachfolgeaktivitäten zu schauen, die den Teilnehmern prioritär erschienen.

Mittlerweile haben wir uns weiterhin mit Fischhändlern ausgetauscht. Wir nutzten das Fischlineal mit Mindestgrößen der wichtigsten angelandeten Arten, das wir als Teil der Unterrichtshilfen entwickelt haten, um das Bewusstsein für untermaßige Fänge in einigen Fischereien zu heben und zu testen, wie weit ihre Bereitschaft und ihre Fähigkeit geht, sich auf nachhaltigere Praktiken einzustellen.

FAO fügte den schriftlichen Lehrmitteln weitere attraktive Illustrationen hinzu und druckte eine limitierte Auflage von Leitlinien für Lehrer und Arbeitsheften für Schüler in Englisch und Französisch. Als der Mundus maris Club Senegal anfing, die Materialien in den Schulen zu verbreiten, stellten die Mitglieder fest, dass die Lehrmittel auch bei Führern von Fischern beliebt waren und dass es eine gewisse Forderung gab, mehr über Ökosysteme und andere Forschungsergebnisse zu erfahren.

Jährliche Feierlichkeiten zum Welttag der Ozeane, dem 8. Juni, waren weitere Möglichkeiten, den Meeresschutz in Verbindung mit kulturellen und sportlichen Aktivitäten in kleinen Fischergemeinden zu propagieren. Die Mobilisierung der Kinder und Jugendlichen warf auch ein Schlaglicht auf das dunkle Kapitel der Schulabbrüche, die die Chancen junger Menschen reduzieren, Arbeit außerhalb des bereits angespannten Fischereisektors aufnehmen zu können. Wenn Kinder und Jugendliche keine offizielle Geburtsurkunde vorweisen können, wird ihnen oft der Zugang zu den höheren Prüfungen verweigert, wenn nicht sogar insgesamt der Schulbesuch! Dies wiederum löste eine erfolgreiche Kampagne aus, um den Betroffenen zu  ordentlichen Ausweispapieren zu verhelfen.

Die vom Mundus maris Club Senegal veranstaltete öffenliche Konferenz im September 2016 zog eine Bilanz der Aktionen gegen Schulabbruch. Es wurde sichtbar, dass die Wirkung über den direkten Nutzen der 245 Kinder hinausging, die dank der Kampagne Geburtsurkunden erhalten hatten. Die Zeugnisse der Teilnehmer machten klar, das der Erfolg auch ein Gefühl von Hoffnung und Entschlossenheit vermittelt hatte. Die Menschen hatten verstanden, dass es möglich war, die Situation zum Besseren zu ändern.

Währenddessen führten unsere fortgesetzten Bemühungen auch zu einigen Video-Interviews, um eine Vielfalt von Mitteln zu nutzen, um den Anführern von Kleinfischergemeinden eine Stimme zu geben. Und unsere Fokussierung auf die Arbeit mit Kleinfischern, nicht primär über sie oder nur über die Fische, die sie fangen, veranlasste partizipative Forschung in den Jahren 2014-2015, der Auswirkungen sich immer noch weiter entfalten.

Einerseits hat es durch akademische und andere Vorträge und Publikationen zusätzliches Interesse geweckt und damit zur Demarginalisierung der Kleinfischerei im Einklang mit den SSF-Richtlinien beigetragen. Auf der anderen Seite hat es den Fischern, Fischhändlern und Frauen in der Fischerei geholfen, ihre Kritik und ihre Bestrebungen in Bezug auf Forschungsfragen besser zu artikulieren und eine anerkannte Rolle in der Wissensproduktion und im Sektormanagement zu spielen. Und es war genau in diesem Zusammenhang, dass die Idee einer Akademie für und mit den Kleinfischern anfing, Gestalt anzunehmen.

Die herausragende Arbeit des Sea Around Us Projekts, das die tatsächlichen Fänge rekonstruiert (im Vergleich zu denen, die offiziell von oft unterversorgten staatlichen statistischen Diensten an die FAO gemeldet werden), ist eine große Ermutigung. Dieses Projekt leistet den weltweit wichtigsten Beitrag zur Unterscheidung zwischen industrieller, gewerblicher Kleinfischerei, Subsistenz- und Freizeitfischerei und zur Trennung von legalen und illegalen Fängen (einschließlich Schätzungen für Rückwürfe auf See). Es ermöglicht damit gute Ansatzpunkte für die Quantifizierung der Rolle der Kleinfischerei in der Ernährungssicherheit und der Lebensmittelversorgung und Vermarktung von Fischereiprodukten.

Anerkennung dafür, wie wichtig die Kleinfischerei und die Fischer, wie wichtig sie sind und mit ihnen auf neue Art und Weise arbeiten, ist das zentrale Anliegen, das die Idee der SSF-Akademie als Raum für Dialog und Austausch, für kollektives Lernen und Handeln zugrunde liegt.

Die Forderung nach Anerkennung und Empowerment der Kleinfischer, die die SSF-Richtlinien durchdringt, und die menschenorientierten Aspekte des Nachhaltigkeitsziels 14 benötigen einen solchen Raum und die wechselseitigen Lernprozesse, um mit Leben erfüllt zu werden. Wir glauben, dass die große Herausforderung, unsere Gesellschaften auf nachhaltige Konsum- und Lebensweise umzustellen und bewußt und verantwortlich mit dem Ozean verbunden zu sein, mit den lokalen Gegebenheiten und Lebensumständen von Kleinfischern verknüpft werden muss, ihrer Produktionsweise, Kultur und ihrem Verhältnis zum Meer. Damit solche Übergänge gelingen, braucht es Experimente und Versuche in Größenordnungen, die den Lebensunterhalt und die Existenz der Menschen nicht bedrohen, sondern die besten Innovationsmöglichkeiten mobilisieren und schärfen.

Hier veröffentlichen wir einen ersten Entwurf einer SSF-Akademie als Testfall im Senegal, aber mit genügend generischen Elementen, um auch für andere Länder von Interesse zu sein. Wir hoffen, die Debatte und die Zusammenarbeit (einschließlich der Kofinanzierung) für die Entwicklung des Konzepts und seine vorbildhafte Umsetzung durch eine Praxis-orientierte Lernmethode zu stimulieren. Wir erwarten, dass dies erlaubt, die Arbeitshypothesen zu schärfen und Chancen zu schaffen, alternative Ansätze für derzeit oft unbefriedigende Managementmodi zu testen. Wir hoffen, dass andere Teams bereit sind, sich dieser explorativen Reise anzuschließen und den Lernprozess durch kritische Partizipation, begleitende Forschung und weitere Verbreitung zu unterstützen. Diese Erfahrungen sollten vor allem die betroffenen Bevölkerungsgruppen mobilisieren und dazu beitragen, ihre Praktiken bestmöglich zu perfektionieren und gleichzeitig ihre Innovationsfähigkeit zu fördern.

Um ein Gefühl für die Bedeutung der verschiedenen Arten der Fischerei zu bekommen, verweisen wir auf die öffentliche Datenbank des Sea Around Us Projekts zur Rekonstruktion von Fängen. Die rekonstruierten Fänge im Jahr 2014, dem derzeit aktuellsten verfügbaren Jahr, wurden in der handwerklichen (kommerziellen) Fischerei auf 331,760 Tonnen, die Industriefänge auf 176,150 Tonnen, die Subsistenzfänge auf 11,520 Tonnen und die Freizeitfänge auf 1,430 Tonnen geschätzt.

Es ist zu beachten, dass es sich bei der schwarzen Linie offiziell um gemeldete Fänge handelt, die in Zeiten rückläufiger Fänge einen größeren Anteil an der Gesamtmenge ausmachen als in früheren Jahrzehnten.

Die mehr als 60-jährige Rekonstruktion der Fänge nach Flotten und Fischereiland zeigt deutlich, wie wichtig handwerkliche Fischerei und Wertschöpfungsketten im Land sind und warum die Unterstützung ihres nachhaltigen Betriebs eine Akademie rechtfertigt, die als sicherer Ort für das gemeinsame Lernen und die gemeinsame Produktion von Wissen konzipiert ist und somit sehr wichtig für die Lebensgrundlagen in diesem Sektor, dem Schutz der biologischen Vielfalt der Meere und der verbessetren Steuerungsmechanismen.

Cornelia E Nauen & Aliou Sall