Seit mehr als 50 Jahren führt das International Ocean Institute (IOI) Schulungen durch und unterstützt den Aufbau von Kompetenzen im Bereich Ocean Governance, mit dem Ziel, sachkundige zukünftige Führungskräfte auszubilden. Das IOI wurde 1972 von Professor Elisabeth Mann Borgese gegründet und ist eine weltweit tätige, unabhängige, nichtstaatliche Non-Profit-Organisation mit Hauptsitz in Malta und Büros in allen Regionen der Welt. Hier fassen wir die Inhalte eines Webinars zusammen, das am 29. Februar 2024 stattfand. Die Redner wiesen darauf hin, dass die vielen globalen Themen nicht als einzelne, praktisch fachgebundene Angelegenheiten behandelt werden sollten. Sie betonten, dass es zielführender sei, sich auch mit den Verflechtungen zwischen den Themen zu beschäftigen. Dies gelte sowohl auf der Ebene der großen globalen Verträge wie dem Seerecht, dem Pariser Klimaabkommen, dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) und den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) als auch bei der Bewältigung eher lokaler Herausforderungen.

Simone Borg, Juristin an der Universität Malta, eröffnete die Podiumsdiskussionen mit einem Überblick über das geltende internationale Recht, das sich in der einen oder anderen Weise auf den Klimawandel und seine Auswirkungen bezieht. Sie wies auf die zahlreichen Herausforderungen bei der Durchsetzung solcher Abkommen und Gesetze besonders hin, wenn es nur wenige bzw. keine Institutionen mit einem ausdrücklichen Durchsetzungsmandat und den entsprechenden Mitteln gibt. Selbst dort, wo solche Institutionen existierten, z.B. der Seegerichtshof in Hamburg oder der Internationale Gerichtshof in Den Haag, seien es im Allgemeinen nur Staaten, die versuchen könnten, einen konkreten Fall mit Hilfe recht komplizierter Verfahren durchzusetzen. Die Umsetzung des Völkerrechts hängt also von der Umwandlung in operationelles nationales Recht ab, unterstützt durch moralische Verpflichtungen oder durch den Druck anderer Staaten.

Darüber hinaus wurde das geschriebene Recht durch ungeschriebenes Recht und eine Art Gentlemen's Agreement ergänzt, z. B. in Bezug auf die wissenschaftliche Zusammenarbeit, die oft weniger schwerfällig und effektiver sein konnte als formelle Vereinbarungen. Ferner stützten sich viele operative Kooperationen in hohem Maße auf das, was man als "Soft Law" in Form von Aktionsplänen, den SDGs der Agenda 2030, bezeichnen könnte. Die Umsetzung erfordert eine Untermauerung durch die Wissenschaft, wirtschaftliche Analysen und überzeugende Narrative, die auch für die Medien und politischen Akteure zugänglich und verständlich sind..

 

Frau Borg betonte, dass es die Aufgabe des Rechts sei, tatsächliche oder potenzielle Schäden zu regulieren und ihr Ausmaß und ihre Auswirkungen zu verringern. Am besten sei es, Schaden zu vermeiden, am zweitbesten, seine Ursachen und Auswirkungen zu beheben, sobald sie offensichtlich geworden seien. Die Rechtsetzung und -durchsetzung hat also viel mit Konfliktlösung zu tun. Ihre Wirksamkeit sei dann am größten, wenn sie auf breit angelegten Informationen beruhe und nicht durch ein auf nur einen Aspekt konzentriertes Silo-Denken eingeschränkt werde. Sie wies auf die möglichen Verbesserungen hin, wenn parallele Entwicklungen im Rahmen unterschiedlicher rechtlicher Rahmenbedingungen vermieden werden könnten, und verwies auf das International Panel for Ocean Sustainability (IPOS) als eine mögliche Antwort, verschiedene Rechtsbereiche und internationale Herausforderungen verstärkt auf eine gemeinsame Plattform zu bringen.

Ute Jacobs, Meeresökologin am Helmholtz-Institut für Funktionelle Meeresbiologie (HIFMB) in Oldenburg, Deutschland, ging als nächstes auf die Herausforderungen ein, die die schätzungsweise eine Million vom Aussterben bedrohten Arten darstellen, und auf die bisher getroffenen Gegenmaßnahmen. Sie wies darauf hin, dass Schutzgebiete ein wichtiges Instrument sind, um die Bedrohung durch das Aussterben insbesondere der stark gefährdeten Arten einzudämmen. Das im Rahmen des Globalen Rahmens für die biologische Vielfalt vereinbarte Ziel, 30 % des Landes und der Meere der Natur zurückzugeben, sei eine gute Antwort, aber wahrscheinlich seien weniger als 10 % wirksam geschützt. Sie wies darauf hin, dass der kommunale Naturschutz bessere Ergebnisse erzielt habe als die weit verbreiteten Meeresschutzgebiete (MPA), die als "Papierparks" bezeichnet werden. Diese MPA wurden von den Regierungen ausgerufen, um frühere Verpflichtungen zu erfüllen. Da jedoch fast überall ein Rückgang der Bestände zu beobachten sei, stelle sich die Frage, wie ein besserer Schutz in der Praxis erreicht werden könne.

Sie betonte, dass die gesellschaftliche Akzeptanz von Schutzgebieten von entscheidender Bedeutung sei und dass sie am effektivsten seien, wenn sie auch die Minderung und Anpassung an den Klimawandel unterstützten. Sie gab zu bedenken, dass der derzeitige Kurs weiter steigender Klimagasemissionen zu schwerwiegenderen und möglicherweise häufigeren Hitzewellen führen würde und dass sich dadurch die Erholungszeiten für marine und terrestrische Ökosysteme verlängern würden. Sie plädierte daher für klimaintelligente MPA, die eine interessantere Antwort darstellen würden als Einzweckparks. MPAs müssten integriert und miteinander verbunden sein, um eine repräsentative Auswahl verschiedener Ökosysteme abzudecken und speziell darauf ausgerichtet, auch Klimaziele zu unterstützen.

Mark Dickey-Collas, ein unabhängiger Forscher mit Schwerpunkt auf der europäischen Fischerei, berichtete über die Analyse einer Reihe wissenschaftlicher Veröffentlichungen, um die Verflechtungen zwischen den Ressourcen und den Verwaltungsstrukturen besser in den Griff zu bekommen. Er überprüfte insbesondere die Anpassungsfähigkeit des sozial-ökologischen Systems. Dabei stellte er fest, dass das vorherrschende Managementsystem in der Europäischen Union, z. B. mit Quotenzuteilungen auf der Grundlage historischer Fangmengen, Annahmen über die Stabilität und Produktivität der Systeme zugrunde legt, die in Zeiten des technologischen Fortschritts und des Klimawandels nicht gut geeignet sind.

 

Er stellte fest, dass von den 38 analysierten Attributen drei für das Ergebnis der Systemsteuerung von größter Bedeutung waren: die Produktivität der Arten in ihrem Ökosystemkontext, die Bandbreite der Arten in den Ökosystembedingungen, in denen sie leben können, und die Risiken und Anfälligkeiten der menschlichen Fischereigemeinschaften. Zusammenfassend stellte er fest, dass die Bewirtschaftungsmechanismen zu unflexibel seien, um gute Ergebnisse zu erzielen, und fragte, ob die Anpassungsfähigkeit der Bewirtschaftung im Einklang mit den laufenden Veränderungen verbessert werden könne. Er stellte fest, dass sich gut bewirtschaftete Fischpopulationen und Ökosysteme in einem viel besseren Zustand befinden als solche, die nicht bewirtschaftet werden. Sowohl die Parameter für die Integrität der Lebensräume als auch für die biologische Vielfalt seien in gut bewirtschafteten Fischereien besser als in solchen, in denen es kein strenges Management gebe.

In der abschließenden Fragerunde beantworteten die Diskussionsteilnehmer eine Reihe von Fragen. Antonella Vassello, Exekutivdirektorin der IOI, wies darauf hin, dass sich der Bestand an Haien und Walen in einigen Gebieten verbessert habe, der Bestand an Delfinen jedoch nicht. Sie betonte, dass Bildung und der Ausbau von Sachkenntnissen nach wie vor eine absolute Notwendigkeit seien, um bessere Lösungen vor Ort zu entwickeln. Sie kam zu dem Schluss, dass das Fehlen von Daten, wenn dieses Argument überhaupt zutrifft, keine Entschuldigung für Untätigkeit sein darf, wenn man bedenkt, was wir auf globaler und regionaler Ebene bereits wissen. Die mehr als 100 Teilnehmer stimmten dem zu.

Das Webinar regte zum Nachdenken an und lud dazu ein, sich noch stärker für ein gesundes Meer zu engagieren, das zur Bewältigung vieler anderer miteinander verflochtener Herausforderungen erforderlich ist.

Deutsche Übersetzung von Claudia Mense.