Das Good Food Weekend ist ein Muss des jährlichen Veranstaltungskalenders in Brüssel. Im Rahmen des offiziellen Programms bot Mundus maris am Freitag, den 19. und Samstag, den 20. Oktober 2018 Workshops in englischer und französischer Sprache an, um den Teilnehmern dabei zu helfen, leckere und nachhaltige Fische und Meeresfrüchte zu entdecken. Unsere Workshops wurden vom Grosshändler Pintafish und dem nachhaltigen Fisch- und Chips Restaurant Bia Mara unterstützt.

In Vorbereitung der Workshops recherchierte das Mundus maris-Team die wissenschaftliche Literatur und sammelte Informationen von den Dienststellen der Europäischen Kommission und der für Lebensmittelsicherheit zuständigen belgischen Behörde. Nützliche Informationen für die Umfrage bei Fischgeschäften, Marktständen, Supermärkten und Restaurants kamen vor allem aus FishBase und SeaLifeBase mit Bildern, Mindestgröße bei Geschlechtsreife je nach der Temperatur im Habitat der Fische, sowie die Maximalgröße der Art, die in der Natur beobachtet wurde.

Die Stichproben dienen dazu, die Anwendung der Regeln in der Praxis zu prüfen und auch von den Praktikern zu hören, was für sie beim Kauf von Fisch und Meeresfrüchten die wichtigsten Auswahlkriterien sind. Die kleineren Einzelhändler waren oft Teil eines Familienunternehmens mit anderen Mitgliedern der Familie, die sich mit Großhandel, Fischerei oder beidem beschäftigten; aber alle betonten die Bedeutung vertrauensvoller Beziehungen zu Unternehmen, die in der Wertschöpfungskette weiter oben angesiedelt sind. Mehrere Ladenverkäufer erzählten, dass sie in verschiedenen Stationen der Vertriebskette in anderen europäischen Ländern gearbeitet haben und daher über gute Praxiskenntnisse vor Ort verfügen, die mehr variieren als die allgemeinen Regeln in Europa glauben lassen.

Rotbarbe - erwachsene Exemplare (zwischen 20 und >30 cm) 
neben Kabeljau Babies, die erst mit >60 cm erwachsen sind
Große Exemplare von Rotbarben, geangelt

 

Chez AlbertWo Verkäufer gleichzeitig Eigentümer waren oder Eigentümern nahestanden, verfügten sie über beträchtliches Wissen über Fisch und Wertschöpfungsketten. Hygiene und Frische standen definitiv an erster Stelle für alle. Jene am oberen Ende der Qualitätsskala betonten, dass einzeln geangelte Produkte, die sofort an Bord auf Eis konditioniert wurden, den Fischen, die in großen Mengen durch Schleppnetze gefangen wurden, haushoch überlegen waren. Im hinteren Teil des Trawlnetzes werden die Fische stark gequetscht und haben dann eine viel geringere Ausgangsqualität. Nur eine Minderheit der Verkäufer beschäftigte sich jedoch aktiv mit den sehr realen Bedrohungen für die Nachhaltigkeit von Ressourcen und zukünftigen Lieferungen. Wir fragten immer, ob sie darauf achten, nur geschlechtsreifen Fisch zu kaufen, um sicherzustellen, dass genug große Fische im Wasser bleiben, um die nächsten Generationen zu produzieren.

In einigen Fällen akzeptierten sie die Messung von Fischen aus der Nordsee mit unserem Fischlineal, um in der Praxis zu überprüfen, ob die Fische geschlechtsreif waren. Wir hörten auch in einem Fall vom Besitzer eines Ladens, der besonderen Wert auf Qualität legt, Poissonnerie des Tongres, dass er nur Fisch von bekannten Fischern beziehen würde, die mit schoneneden Methoden arbeiten. Aber die häufigere Antwort auf unsere Fragen war, dass sie am Ende einer langen Vertriebskette standen und nicht an den Produktionsmethoden mitwirken könnten. Dennoch verkauften die meisten der Geschäfte, die wir besuchten, in der Tat ausgewachsene Exemplare, insbesondere von wild gefangenem Fisch. Wir begegneteten zwei Ausnahmen, die beträchtliche Mengen an Babyfischen zu sehr niedrigen Preisen verkauften.

Wir besuchten auch einige Supermärkte, darunter einen mit einer großen Fisch-Theke. Ein Großteil des Portionsfisches in den Supermärkten ist eher billige Fertignahrung, kunststoffverpackt und bereits kochfertig. Selbst die Fischtheke konnte, trotz Hygieneschutz und besserer Etikettierung als kleine Einzelhandelsgeschäfte, nicht verbergen, dass sie auf unterschiedliche Kundentypen abzielte, wo das Preisbewusstsein eine größere Rolle spielt als andere Kriterien .

Einige Produkte in ihren Kühlschränken trugen das Siegel des Marine Stewardship Council (MSC), aber nicht sehr viele. Vielleicht hatten die Supermärkte bereits die Kritik an der fortgesetzten Zertifizierung von Fischereien zur Kenntnis genommen, die den Standard nicht respektierten. Der Standard konzentriert sich auf drei Kernelemente: (1) nachhaltige Bestände an Fischereiressourcen, (2) schonende Fangmethoden, (3) effektives Fischereimanagement. Mit wachsendem Bewusstsein für die Fallstricke in der Industrie fordern einige Wissenschaftler und zivilgesellschaftliche Organisationen den Standard um soziale Kriterien wie ordentliche Arbeitsbedingungen laut der International Arbeitsganisation (ILO) zu erweitern. Es geht insbesondere die Unterdrückung von Zwangsarbeit und Sklaverei an Bord von Fischereifahrzeugen durch einen verbesserten Standard. Weitere Informationen zu diesem Aspekt der Branche finden Sie auch auf der Website der großen Koalition Make Stewardship Count - von mehr als 80 Organisationen und Einzelpersonen, zu denen auch Mundus maris gehört.

Die Etikettierung entsprach nirgendwo den Mindestinformationen, die von den europäischen Rechtsvorschriften in den von uns besuchten Geschäften hätte angewendet werden müssen. Ein Laden hatte sogar keinerlei Etikettierung, obwohl der Verkäufer sachkundig und bereit war, für jede Fischart, ob im Ganzen oder im Filet, zu erklären, welche Art es war, woher sie kam, ob es Wildfänge oder Aquakulturprodukte waren und mehr. Diese Informationen müssen auf den Kisten verfügbar sein, die vom Großhändler geliefert werden. Sie wurden aber nicht für Etiketten im Thekendisplay verwendet.

Bei dem Versuch, den Fisch vom Fang auf See durch die verschiedenen Phasen der Konditionierung, Verarbeitung und des Handels bis zum Teller des Verbrauchers zu verfolgen, sprachen wir mit dem Großhändler im direkten Kontakt mit Fischern, wie Pintafish, die uns von der Herausforderung bei der Beschaffung von Fisch erzählten, der mit selektiven Geräten gefangen wurde, die in Belgien und anderen europäischen Ländern zu minimalen Umweltschäden führt. Die größeren Großhändler, die wir kontaktierten, kauften in großen Mengen in Rungis und anderen regionalen Märkten und hatten wenig Zeit für unsere Fragen. Sie waren in erster Linie um die Frische des Produkts besorgt und versicherten uns, dass die Einhaltung von Hygienestandards und die Kennzeichnung entlang der Wertschöpfungskette strengstens eingehalten würden. Auch hier waren schonende Fischereimethoden, Ressourcenschonung für die zukünftige Produktion und dergleichen eindeutig nicht prioritär auf ihrer Agenda.

Zu unserer Überraschung fanden wir in der großen und abwechslungsreichen Restaurantlandschaft in Brüssel nur zwei, die Nachhaltigkeit explizit als ein wichtiges Kriterium in ihren Kundeninformationen bezeichneten: Bia Mara und Racines. Bia Mara war besonders an einer Zusammenarbeit interessiert und unterstützte den Workshop auch mit Weißwein und Bier. Während der Vorbereitungen haben wir Pintafish und Bia Mara zusammengebracht, um ihre gemeinsamen Interessen zu erkunden. Ihre Bemühungen, Mahlzeiten auf der Basis von nachhaltig produziertem Fisch und Meeresfrüchten anzubieten, sind umso wichtiger, als eine aktuelle Studie der Katholischen Universität Leuven im Namen von OCEANA hohe Etikettenschwindel- und Betrugsquoten in Brüsseler Restaurants zeigt.

Diese Untersuchungen am Standort Brüssel ergaben viele Inputs, die während der beiden Workshops mit den registrierten Teilnehmern geteilt werden konnten. Nach einem Begrüßungsgetränk machten es sich die Teilnehmer an kleinen Tischen gemütlich und interagierten mit Fragen und Kommentaren mit den Referenten.

Cornelia E Nauen von Mundus maris lieferte die Eingangspräsentation mit vielen Informationen darüber. woher in Brüssel konsumierter Fisch herstammen könnte. Sie erläuterte die Prinzipien von Slow Food/Slow Fish, die darauf abzielen, gute, saubere und faire Produkte bereitzustellen. Angesichts global sinkender Produktion aus der Fangfischerei auf Grund überfischter Bestände, plädierte sie für die Berücksichtigung eines weiteren Prinzips von Mundus maris, insbesondere Nachhaltigkeit. Alle Kriterien wurden erklärt und mit den Teilnehmern in Verbindung mit konkreten Schritten besprochen, um Verwirrung oder ein Gefühl der Hilflosigkeit als Konsumenten zu vermeiden.

Es gab z.B. eine Frage über den Unterschied zwischen kultiviertem und wild gefangenem Fisch. Das sollte auf dem Produktlabel klar unterschieden werden. Aber auch ohne, ist Zuchtlachs ziemlich leicht durch die breiten weißen Fettbänder zwischen den Myomeren (dem segmentierten Fischfleisch) zu erkennen. Das ist das Ergebnis der Selektion für schnelles Wachstum und die vergleichsweise geringen Bewegungen der Tiere in Gefangenschaft. Wildlachs und andere wilde Fische haben festeres Fleisch und Textur.

Die Praxisberichte von Wim Versteden von Pintafish und Marco Ferracuti von Bia Mara gaben einen hervorragenden Einblick in die Herausforderungen, aber auch die Möglichkeiten verantwortungsbewusster Unternehmer. Man hätte eine Nadel während Wims Bericht fallen hören können. Er berichtete, wie er seinen Fischhandel aufgebaut hat, nachdem er seine berufliche Karriere als Bauer begann. Es ist so viel lebhafter, es von direkt Betroffenen zu hören, als dieselbe Information in einem Artikel oder Bericht zu lesen.

Und wie es so geht, wenn lebhaft hin und her diskutiert wird, die Zeit fliegt. So verzichteten wir lieber, die geplante Struktur einzuhalten und ließen dem Austausch freien Lauf.

Da die Teilnehmer noch viele Fragen und Kommentare hatten, boten wir die Appetithappen und den Wein zum Ausklang im Workshop an, um so gestärkt den Austausch fortzusetzen.

Vor dem Verlassen des Workshps konnten die Teilnehmer noch verschiedene nützliche Informationsmaterialien mitnehmen, so zB das Fischlineal für Nord- und Ostsee, das Infoblatt mit Mindestlängen der gängigen Fischarten in Brüsseler Geschäften und praktische Hinweise und Informationsquellen, die man bequem von zu Hause ausnutzen kann, wie zB Rezepte, um saisonalen Fisch vielseitiger zuzubereiten und so mehr Vielfalt im Menu zu haben. Der Taschenleitfaden zur Kennzeichnung und ein allgemeiner Überblick über den europäischen Fisch- und Aquakultursektor durch die Europäische Kommission waren ebenfalls verfügbar.

Wir bedanken uns recht herzlich bei unseren Freunden und Nachbarn von Ateliers Plateau96 für die Gastfreundschaft.

Also, bis nächstes Jahr vielleicht! In der Zwischenzeit überprüfen Sie in der Praxis, was Sie entdeckt haben.