"Mit gutem Beispiel vorangehen", so lautete das Motto des afrikanischen Regionaltreffens des 4. Weltkongresses für handwerkliche Fischerei, der vom 21. bis 23. November 2022 in Kapstadt, Südafrika, stattfand. Dieser Kongress bildete den Abschluss einer Reihe von fünf regionalen Konferenzen, eine für jeden Kontinent, zum Ende des Internationalen Jahres der handwerklichen Fischerei und Aquakultur (IYAFA 2022). Die Universität des Westkaps (UWC) war gemeinsam mit dem Fachbereich Fischerei Gastgeberin des Kongresses, organisiert von der globalen Forschungsplattform Too Big To Ignore unter der Leitung von Ratana Chuenpagdee. Rund 160 Teilnehmer waren persönlich vor Ort, weitere konnten aber auch online teilnehmen. Moenieba Isaacs von der UWC (im Bild) leitete die Eröffnung gemeinsam mit Shehu Akintola von der Lagos State University.

In sechs Plenarsitzungen wurden Schlüsselthemen wie Aktionsforschung, Blaue Gerechtigkeit, umweltfreundliche Lebensmittelerzeugung, Wirtschaft und soziale Innovation, gemeindebasierter Naturschutz und Gleichberechtigung der Geschlechter erörtert. Seminare für künftige Führungskräfte, ein politisches Forum und die Abschlusssitzung bildeten den Rahmen für ergänzende Themen, von denen viele in den zahlreichen parallelen Breakout-Sitzungen weiter erörtert wurden. Die Umsetzung der Freiwilligen Leitlinien für die Sicherung der nachhaltigen handwerklichen Fischerei als zentrale Forderung zog sich zumindest im Hintergrund durch die meisten Sitzungen. Erfreulicherweise konzentrierten sich viele Beiträge auf mögliche Lösungsansätze und vielversprechende Beispiele für das Engagement von und mit der handwerklichen Fischerei und mit den Männern und Frauen, die hart arbeitend in den Wertschöpfungsketten eingebunden sind. Ausgewählte Ergebnisse der Illuminated Hidden Harvest (IHH) - Studie, die die enorme soziale und wirtschaftliche Bedeutung der handwerklichen Fischerei (SSF) aufzeigen, wurden immer wieder zitiert. Die zahlreichen Fallstudien, die von der FAO, der Duke University und dem WorldFish Center durchgeführt und in der IHH-Studie zusammengeführt wurden, haben sicherlich zu mehr Aufmerksamkeit und Entschlossenheit zum Schutz und zur Förderung der SSF geführt.

Eine Debatte darüber, wie mehr lokale und nationale Initiativen entwickelt und unterstützt werden können, ohne von der Finanzierung durch Hilfsorganisationen, große internationale NRO oder Stiftungen abhängig zu sein, verdient besondere Aufmerksamkeit. Es würde bedeuten, dass man auf die Art von Entwicklungen vor Ort aufbaut, einschließlich des nationalen und regionalen Handels mit traditionell hergestellten Produkten, die den Geschmack der Verbraucher treffen. Diese Vorgehensweise steht im Gegensatz zu dem weit verbreiteten Trend, diese heimischen Bemühungen zu unterdrücken, um Platz für gewinnbringende Modelle ausländischer Interessengruppen zu schaffen. Diese Vorgehensweise mag denjenigen bekannt vorkommen, die den mehrfach preisgekrönten Dokumentarfilm von Thomas Grand und Moussa Diop aus dem Jahr 2018 über die handwerkliche Fischerei in der Casamance im Süden Senegals mit dem Titel "Goldener Fish, afrikanischer Fish" (Poisson d'or, poisson africain) gesehen haben. Um dieses Projekt zu ermöglichen, wurde es von Mundus maris mitfinanziert. Der Film endet mit ähnlichen wie den erwähnten Überlegungen eines alten, weisen Gärtners angesichts der massenhaften Umsiedlung von Fischverarbeiterinnen in versumpfte Gegenden. Und dies alles nur um Platz für eine vom Ausland finanzierte Fischmehlfabrik zu schaffen und die regionale wirtschaftliche Entwicklung zu zerschlagen, die sich rund um die Fischerei von kleinen pelagischen Scharmfischarten entfaltet hatte.

Wie wir in vielen Kongressvorträgen gehört haben, ist das de facto Ziel vieler nationaler politischer Konzepte immer noch primär auf den internationalen Export gerichtet. Die Lebensumstände und Bedürfnisse der Männer und Frauen in der SSF, die letztendlich den Löwenanteil zur Schaffung von Arbeitsplätzen, Ernährungssicherheit und mehr beitragen, werden dabei nicht ausreichend berücksichtigt. Und das vor dem Hintergrund, dass die Lebensgrundlagen der SSF immer schlechter werden und selbst Grundbedürfnisse wie regelmäßige Nahrung, Gesundheits- und Sanitärversorgung oder Schulbildung nicht immer zugänglich sind. Daher konzentrierten sich viele Forderungen der Frauen und Männer in der Fischerei darauf, zunächst die Bedingungen zu schaffen, die es ihnen ermöglichen, einen angemessenen Lebensunterhalt zu verdienen. Zur Befriedigung der Grundbedürfnisse gehört in der Regel der Zugang zu erschwinglichen Krediten, zu sicherem Grundbesitz bzw. zu angemessenen Arbeitsplätzen, zu Aus- und Weiterbildung und Gesundheitsdiensten. Dazu gehört auch, dass die Betroffenen von Entscheidungsträgern in höheren Positionen angehört werden. .... Diese Grundbedürfnisse rangieren in der Regel vor der Beschäftigung mit größeren globalen Themen - auch wenn die Auswirkungen der internationalen illegalen, nicht registrierten und nicht regulierten (IUU)-Fischerei und des Klimawandels in vielen Sitzungen eine große Rolle spielten, da sie bereits im täglichen Leben der Menschen spürbar sind. Wichtige Fragen zur Gleichstellung der Geschlechter kamen häufig zur Sprache. Die männlichen Teilnehmer waren jedoch meist sehr zurückhaltend, wenn es darum ging, sich an den Diskussionsrunden zu beteiligen, obwohl einige Männer Vorträge hielten, die sich für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzten.

Mundus maris war sehr gerne bereit, zu diesen wichtigen Debatten mit Erkenntnissen aus der Praxis in einigen westafrikanischen Ländern einen Beitrag leisten zu können. Cornelia E. Nauen präsentierte zusammen mit Aliou Sall Erfahrungen aus erster Hand darüber, wie man die Grundsätze guter Unternehmensführung auch in der Fischerei mit dem Ansatz der SSF-Akademie verknüpfen und in die Praxis umsetzen kann. Die Akademie ist ein sicherer, respektvoller Raum für die gemeinsame Erarbeitung von Wissen. Sie fördert den Dialog mit und für Frauen und Männer in der SSF und erkennt deren Wissen und Erfahrung an. Sie fördert die Interaktion mit anderen, die ergänzende Perspektiven bieten, z. B. durch wissenschaftliche Informationen und Strategien. Jeder ist willkommen. Eines der Themen, das in den Fischereigemeinschaften zunehmend zur Sprache kommt, ist der ökosystemorientierte Ansatz in der Fischerei, der endlich auf breiter Ebene anerkannt wird. Die Forderung nach Co-Management, die auch auf der Konferenz geäußert wurde, wird immer lauter. Es bleibt jedoch eine Herausforderung, wie die wichtigsten der formulierten Grundsätze im Alltag umgesetzt werden können. Eine zusätzliche Lernunterstützung kann hierbei durch Videos erfolgen, vorzugsweise in den lokalen Sprachen, um die Teilnehmer an der Akademie über ihre Rechte zu informieren. Einige gedruckte Materialien sind ebenfalls erhältlich, zunehmend ergänzt durch Anwendungen für Mobiltelefone, die auch unter den Angehörigen der SSF immer mehr Verbreitung finden. Die Folien des Vortrags sind hier verfügbar.

Sarah Appiah, vom Fachbereich Wirtschaft der Universität von Ghana und Mitglied von Mundus maris sprach über Existenzbedrohungen und Bewältigungsstrategien bei ghanaischen Frauen innerhalb der SSF. Sie berichtete, dass die vier dramatischsten Bedrohungen, die von den mehr als 300 für die Studie befragten Frauen festgestellt wurden, folgende waren

- ein erheblicher Preisverfall, der von 281 Frauen (84,4 %) festgestellt wurde,

- der Rückgang der lokalen Fischfänge, der von 264 Frauen (79,3 %) beklagt wurde,

- finanzielle Verluste durch Kreditverkäufe, die 237 Frauen (71,2 %) beklagten, und

- den Verlust von Produkten bei der Verarbeitung, den 130 Frauen (39 %) beklagten.

Keine der Frauen konnte auf eine Versicherung oder andere Unterstützung zählen, um mit solchen Ereignissen fertig zu werden. Die häufigste Reaktion war der Kauf von Fisch auf Kredit bei den sog. Fischmüttern (fish mammies mit einer besseren Finanzdecke) - 312 Frauen nutzten diese Strategie (93,7 %), 20 % konnten sich auf Ersparnisse stützen, weitere 20 % wanderten vorübergehend aus. Etwa 61 Frauen (18,3 %) erhielten Unterstützung von Familie und Freunden, aber 178 Frauen (53,5 %) unternahmen zumindest anfangs nichts. Die Studie veranschaulicht die Kreativität und Entschlossenheit der Frauen, die Härten zu meistern und sich zu bemühen, ihren Status als Stütze der SSF-Wirtschaft wiederzuerlangen.

Der Kongress bot eine Plattform für ein breites Spektrum an Analysen und erprobten Möglichkeiten, um auf die sich verschlechternden Bedingungen, wie z. B. die geringeren Fangmengen, die durch die Auswirkungen des Klimawandels noch verstärkt werden, zu reagieren. Hier ist nicht der geeignete Rahmen, um über die große Vielfalt der Bedingungen zu berichten, sondern vielmehr über die zahlreichen Gemeinsamkeiten. Bei der Abschlußveranstaltung forderten die Organisatoren die Teilnehmer auf, in kleineren Gruppen darüber nachzudenken, welche Schritte auf der Grundlage der vorgestellten und diskutierten Ergebnisse als nächstes unternommen werden sollten. Die Gruppen bestanden aus Fischern und Händlern, politischen Entscheidungsträgern, Online-Teilnehmern, NRO und zivilgesellschaftlichen Organisationen, Forschern, jungen Menschen und angehenden Wissenschaftlern. Nach weniger als einer halben Stunde Gruppendiskussion erstattete jede Gruppe im Plenum Bericht.

Interessanterweise sprach sich die politische Gruppe mit einem Minister und Regierungsbeamten für die Umsetzung von SSF-freundlichen Regelungen und wesentliche Fortschritte bei der Umsetzung der SSF-Leitlinien auf der Grundlage der Menschenrechte aus. Der gesamte Kongress wurde aufgezeichnet und die Sitzungen können bis Februar 2023 auf der Internetseite erneut besucht werden. Alle, denen die Zukunft der SSF am Herzen liegt, sollten auch alle Folgemaßnahmen von Too Big To Ignore und anderen Organisationen und Plattformen, die die Veranstaltung unterstützt haben, im Auge behalten.

Deutsche Übersetzung von Claudia Mense.