Die Freitaucherin Hanli PrinslooDie Freitaucherin Hanli Prinsloo (37) schwimmt mit Haien und Teufelsrochen - um zu entspannen. Hier erzählt die Südafrikanerin von ihren atemlosen Abenteuern in den Tiefen des Meeres.

Bestimmt kannst du dich erinnern: Du warst noch ein Kind und lagst in der Badewanne. Du hast tief Luft geholt, deine Augen geschlossen - und dann: bist du untergetaucht, hast deinen Kopf unter Wasser sinken lassen.

Alle Geräusche wurden dumpf. Farben und Formen leuchteten in deinen Augenliedern. Und da war dieses Gefühl der Abgeschiedenheit.

Was du damals getan hast, war: Freitauchen.

Ich war 19, als ich beschlossen habe, dass ich wieder Kind sein will - und dass der Ozean meine Badewanne sein sollte. Damals begann ich mit Freediving dem Tauchen ohne Sauerstoffgerät. Und schon nach den ersten Versuchen stellte sich wieder dieses Unterwassergefühl ein, da ich erstmals in der Badewanne gespürt hatte: Eine Mischung aus Ruhe, Schwerelosigkeit und Freiheit.

Beim Freitauchen geht es darum, mit nur einem Atemzug so tief und lange wie möglich unter Wasser zu bleiben. Freediving ist für mich der perfekte Ausdruck meiner Liebe zum Meer und seiner Bewohner.

Wie ein Wal, ein Delfin oder eine Robbe hole ich tief Luft, tauche unter und erkunde diese Märchenwelt unter den Wellen. Profi-Freediver loten ihre körperlichen Grenzen bis ins Extrem aus: Sie können länger als elf Minuten die Luft anhalten und 200 Meter tief tauchen. Ich habe elf Rekorde im Freitauchen gebrochen, bin bis zu 56 Meter tief getaucht. Doch ich habe vor einigen Jahren Freediving als Wettkampfsport aufgegeben und konzentriere mich seidem auf meine Stiftung „I am Water".

Hanli Prinsloo im Dickichts des SeetangsHeute bringe ich Laien das Freitauchen bei, vor der Küste meiner Heimatstadt Kapstadt und an anderen Orten in Afrika aber auch in Asien. Meine Schüler sind Kinder, Erwachsene - Menschen, die das Wasser lieben oder ihre Angst vor dem Meer besiegen wollen. Ich hatte in meinen Kursen sogar schon Leute, die überhaupt nicht schwimmen konnten - doch auch das konnte ich ihnen - neben dem Tauchen - in einer Woche beibringen. Freitauchen ist nicht schwer zu lernen - die wichtigsten Atemtechniken hat man schnell raus. Ich will meine Schüler für die Ozeane begeistern - und ihnen zeigen, wie wichtig der Schutz unserer Meere ist

In der Babybucht

In Kapstadt tauche ich besonders gern nahe der Bucht Hout Bay - und besuche im April süße Robben-Babies.

Im Märchenwald

n False Bay, einer Bucht am Kap der Guten Hoffnung, wachsen am Meeresgrund gewaltige Tangwälder, in denen gigantische Algen wuchern. Nach einem Sturm werden sie oft an den Strand gespült. Diese Ökosysteme sind die Gegenstücke zu den oberirdischen Regenwäldern. In dem Dickicht treiben sich jede Menge Tiere herum: Haie, (Knochen-)Fische und auch neugierige Robben. Als Freitaucherin kann ich mich hier viel besser bewegen, weil ich außer Flossen und Schwimmbrille kaum Ausrüstung brauche. Durch die Algen zu schwimmen fühlt sich an, als würde man in einen Märchenwald eintauchen.

Im Haifischbecken

Dieses Foto eines Walhais wurde vor der Küste Mexikos aufgenommen. Das Tier ist fast 14 Meter lang, eines riesiges Lebewesen - der größte Fisch im Meer. Wenn ich neben Walen schwimme, fühle ich mich sehr klein - aber auf eine gute Art. Ich versuche immer, sehr ruhig zu sein, denn ich bin mir sicher, Wale können unsere Emotionen spüren. Es sind friedliche und für Taucher ungefährliche Tiere. Das gilt natürlich nicht für alle Haiarten.

Seit 2008 tauche ich regelmäßig mit diesen Raubfischen - für mich sind sie wie gute Freunde. Je nach Gattung habe Haie ganz unterschiedliche Persönlichkeiten - wie Hunde. Ein Walhai ist wie ein ruhiger, freundlicher Bernhardiner. Die kleinen Schwarzspitzenhaie sind wie ein Rudel Terrier: flink und unruhig, eher an Futter als an Interaktion interessiert. Die etwa drei Meter langen Blauhaie erinnern an Cocker Spaniels, sie kommen sehr nahe, wollen dich beschnüffeln. Und Weiße Haie? Sind sie die Rottweiler under dein Haien? Ich denke nicht. Ich finde, es sind unnahbare, majestätische Kreaturen - statt an Hunde erinnern sie mich eher an einsame Grizzlybären.

Absolute Giganten

Hanli und der MantaMit Mantarochen zu tauchen, ist eine einzigartige Erfahrung. Diese Tiere haben eine Spannweite von bis zu sieben Metern, sind so groß wie Flugzeuge, Giganten der Meere. Die Begegnung war eine Überraschung. Ich hatte nach einem langen Tauchgang kaum noch Luft, als sich ein großer Schatten in mein Blickfeld schob. Ich versuchte, mich zu entspannen, den Atemreflex noch ein paar Sekunden hinauszuzögern.

Da tauchte der Rochen auf, schwamm geradewegs auf mich zu, mit sanftem, wallendem Flügelschlag. Ich war wie hypnotisiert. Der Rochen beachtete mich nicht, schwamm unbeirrt seinen Weg. Ich schaute ihm nach, bis ihn das Blau des Meeres schluckte. Dann brach ich an die Oberfläche, japste nach Luft, musste lachen, überwältigt von der Schönheit dieser Begegnung.

Spieltrieb

Wenn ich mit Delfinen schwimme, spüre ich Glück und Freude. Diese Tiere sorgen einfach immer für gute Stimmung. Delfine wollen andauernd mit einem spielen und kommunizieren, ständig machen sie ihre kuriosen Klick-Laute und pfeifen. Viele sind vor der Küste Südafrikas unterwegs. Wenn ich ihnen in die Augen schaue, sehe ich Persönlichkeit und Intelligenz.

Geliebte Stille

Ich trainierte sehr hart für die Freediving Weltmeisterschaften im Jahr 2011. Sechs Wochen lang lebte ich in Dahab in Ägypten, um im Roten Meer zu trainieren. Dann reiste ich zu dem Wettbewerb nach Griechenland - und mir wurde klar: Du bist am falschen Ort. Ich stellte mir Fragen, die mir vorher nie gekommen waren: Warum muss ich versuchen, tiefer und besser zu tauchen, als alle diese anderen Leute hier? Ich hing an dieser Leine, an der sich Freitaucher einhängen, um dann kopfüber in die Tiefe zu sinken, und dachte: Ich muss das nicht mehr machen. Heute tauche ich, um den schönsten Tieren unseres Planeten begegnen zu können. Und weil ich zeigen will, dass wir sie beschützen müssen. Ich liebe die Stille da unten, in den Tiefen der Ozeane. Und die Ruhe und die Freiheit im endlosen Blau des Meeres.

Mit freundlicher Genehmigung des Eurowings Magazins, Photos von Peter Marshall mit Genehmigung von Hanli Prinsloo.