Von langer Hand geplant und terminiert im Vorfeld der einen Monat später stattfindenden UN-Ozean-Konferenz (UNOC3) in Nizza, Frankreich, fiel die erste Nationale Ozean-Konferenz Deutschlands genau in den ungeplanten Moment des Regierungswechsels. Im gemütlichen Ambiente des Berliner Westhafens folgten mehr als 400 Teilnehmer der Einladung, um das Thema Ozean und Meeresschutz generell zu vertiefen. Die Politik war durch Bürgermeister, Repräsentanten der Länder, der Bundesregierung und der nationalen Behörden vertreten. Zahlreiche hochrangige Wissenschaftler und Vertreter von Industrieverbänden waren ebenso anwesend wie viele Teilnehmer aus der Zivilgesellschaft und von Naturschutzorganisationen.

Der erste Vormittag war dem politischen Teil gewidmet. Die scheidende Umweltministerin Steffi Lemke gab einen Überblick über die vielen Brennpunkte des Naturschutzes, an denen sie und ihr Team während ihrer Amtszeit sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene gearbeitet haben. Während es an aktuellen Herausforderungen nicht mangelt, wie z.B. der hoffentlich erfolgreiche Abschluss des weltweit verbindlichen Plastikvertrags, der im Sommer in Genf erreicht werden soll, erwähnte sie eine Reihe von Erfolgen, die zeigen, dass selbst inmitten von Widrigkeiten Fortschritte möglich sind. Sie erwähnte unter anderem:

  • mehr geschützte Gebiete und Ruhezonen in Gewässern unter nationaler Gerichtsbarkeit;
  • 3,5 Mrd. € für die Sanierung von CO2-Senken, einschließlich finanzieller Mittel für den Meeresschutzfonds aus der Versteigerung von Offshore-Windkraftgenehmigungen
  • die Kartierung der 1,3 Millionen Tonnen Munition, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Ostsee versenkt wurden, und die Erprobung einer sicheren Entsorgung, um diese Gefahr für Menschen, Ökosysteme und Anlagen zu beseitigen;
  • die Einigung der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) auf eine Agenda zur Verringerung der Emissionen bis 2050;
  • Aufbau einer Front von 32 nationalen Regierungen, die sich im Rahmen der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) für ein Moratorium für den Tiefseebergbau einsetzen, eine Position, die auch von den Parteien vertreten wird, die die neue Regierung bilden.

Die scheidende Umweltministerin Steffi Lemke erhält Blumen vom Sonderbeauftragten für den Meeresschutz, Sebastian Unger

Sie skizzierte auch die unerledigten Aufgaben, wie z.B:

  • eine generelle Abkehr von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energieträgern mit besonderem Augenmerk auf einen Stopp der Erdöl- und Erdgasförderung in ökologisch sensiblen Gebieten;
  • die Betonung der Bedeutung des Meeres- und Naturschutzes als Schlüsselelement für die Sicherheit;
  • die Ratifizierung des Hochsee-BBNJ-Vertrags war zwar wegen des Wechsels in der Legislative nicht rechtzeitig zur UNOC3 möglich, doch hat die neue Regierung bereits signalisiert, dass sie die Ratifizierung vorrangig vorantreiben will.

Frau Lemke erhielt lang anhaltenden Beifall für ihre unermüdliche Arbeit als Umweltministerin, und es gab eine Anerkennung für den ebenso geschätzten Sebastian Unger, ihren Sonderbeauftragten für Meeresschutz.

Botschafter Peter Thomson von den Fidschi-Inseln, Sonderbeauftragter des UN-Generalsekretärs für den Ozean

Botschafter Peter Thomson, Sonderbeauftragter für den Ozean des UN-Generalsekretärs Guterres, betonte die Dringlichkeit der Ratifizierung des BBNJ-Vertrags und die Notwendigkeit operativer Pläne zur Umsetzung der 30×30-Verpflichtung – Schutz von 30 % der Ozeane bis 2030. Diese Pläne können nicht bis zum formellen Inkrafttreten des Vertrages warten. Die Arbeiten zur Umsetzung des Abkommens müssen schnell in Gang kommen. Es gibt genügend wissenschaftlich fundierte Informationen darüber, wie man nach dem Honiara-Gipfel vorankommen kann, um das Ziel 14 für nachhaltige Entwicklung (SDG14), das am meisten unterfinanzierte aller SDGs, zu erreichen: Beendigung schädlicher Fischereisubventionen, Schutz der mehr als 70 % der Ressourcen vor weiterer Überfischung und Wiederherstellung des Lebens im Meer, verstärkte Nutzung erneuerbarer Energiequellen.

Statt auf 4°C Erwärmung und noch dramatischere Klimaschäden zuzusteuern, bewegen wir uns derzeit auf einen Temperaturanstieg von 2,6°C zu. Aber wir müssen noch viel mehr tun, um die Emissionen zu reduzieren, den Stoffkreislauf zu verringern und dem Leben auf unserem Planeten mehr Raum zu geben. Dies ist unerlässlich, um das anhaltende massive Korallenbleichen und -sterben zu stoppen. Ebenso wichtig ist es für die 900 Millionen Menschen, die in Küstengebieten leben, die akut vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen sind, der sich schneller vollzieht als erwartet.

Was sind die drei wichtigsten Punkte auf der Aktionsagenda? Der Anstieg des Meeresspiegels, die Finanzierung des SDG14 und nachhaltige Anstrengungen, um die Wissenschaft in ausreichender Auflösung für Politik und Maßnahmen bereitzustellen.

Thomson schloss seine Ausführungen in der Hoffnung, dass die neue Regierung eine ebenso große Bedeutung für den internationalen Meeres- und Naturschutz haben wird wie die bisherige. Es sei von enormer Wichtigkeit, den Schwung der multilateralen Zusammenarbeit beizubehalten. Auf dem Weg zur UNOC4, die Korea und Chile 2027 gemeinsam in Korea veranstalten werden, gebe es noch viel zu tun, um den Worten Taten folgen zu lassen.

Charles Tellier, stellvertretender Ozean-Beauftragter, Frankreich

Charles Tellier, stellvertretender Ozean-Beauftragter Frankreichs, betonte die hohe politische Aufmerksamkeit, die das Thema Ozean derzeit genieße. Der Schwerpunkt liege auf der Operationalisierung von Verpflichtungen und der UNOC3 als Höhepunkt des Inkrafttretens des BBNJ-Vertrags mit 60 Ratifizierungen. Er hob den Pakt von 250 bis 300 lokalen Bürgermeistern hervor, die Millionen Menschen vertreten und auf die Umsetzung hinarbeiten. Schlüsselelemente waren u. a. lokales Wissen, das von der Wissenschaft gestützt wird, die Suche nach neuen Lösungen, die Mensch und Natur zugute kommen, und ein Ende der Plastikverschmutzung und der fossilen Brennstoffe.

An drei halben Tagen wurden in Plenarsitzungen und Vertiefungsworkshops vielschichtige Themen zu den folgenden Bereichen behandelt

– Streng geschützte Meeresgebiete
– Gesunde und saubere Meere
– Wissen schafft gesunde Meere
– Blaue Wirtschaft im Einklang mit der Natur
– Eine starke Stimme für den Meeresschutz.

Panel Ozean- und Klimaschutz

Die vielleicht bemerkenswerteste Schlussfolgerung neben der guten Vernetzung und dem Erfahrungsaustausch war die Notwendigkeit eines beschleunigten Handelns. Immer wieder konnte man feststellen, dass der allgemeine Wille vorhanden war, die Informationen verfügbar, die Technologien und institutionellen Organisationskapazitäten vorhanden waren.

Doch trotz aller Erklärungen von fast allen Seiten kam nur sehr wenig voran. Wie kommt es, dass ein LNG-Terminal im Nationalpark Wattenmeer in Rekordzeit genehmigt und errichtet wurde, während einige eine neue Diskussion über die Tötung von Kormoranen und Robben eröffneten, die „unsere Fische“ fressen?

Die ernüchternde Stimme von Arved Fuchs, einem Polarforscher, der seit mehr als 40 Jahren auf seinem hundert Jahre alten Segelboot in den kalten Regionen lebt und arbeitet, verdient Aufmerksamkeit. Er stellte trocken fest, dass seine Wanderung zum Nordpol zu Fuß vor einigen Jahrzehnten einfach nicht mehr möglich war, weil das Eis inzwischen so stark geschmolzen ist, da sich die Arktis um ein Vielfaches schneller erwärmt als andere Regionen.

Der Homo sapiens, eine einzige Spezies, beansprucht bereits mehr als 30 % der gesamten Energie- und Materialproduktion des Planeten für sich und drängt andere Lebensformen mehr und mehr in Richtung Ausrottung. Gibt Ihnen das zu denken? Schon jetzt übersteigt die Menge der menschlichen Artefakte das Gesamtgewicht des pflanzlichen und tierischen Lebens auf dem Planeten [1]. Beteiligen Sie sich an der Aktion und drängen Sie die Regierungen auf allen Ebenen, uns alle vor Schaden zu bewahren! Nicht nur in Deutschland. Und setzen Sie die strukturellen Maßnahmen um, die notwendig sind, um den Überkonsum zu stoppen, als Voraussetzung dafür, dass die Menschen überall ihre Grundbedürfnisse erfüllen können. Durch Zusammenarbeit auf allen Ebenen und gemeinsame Verantwortung können wir SDG 14 und die gesamte Agenda 2030 umsetzen.

Schülerinnen und Schüler, die sich in einem Kunstprojekt für den Schutz der Meere engagieren, fordern schnelles Handeln.

Kurze Zusammenfassung von Cornelia Nauen, die im Namen von Mundus maris asbl teilnahm. Deutsche Übersetzung von Claudia Mense.

[1] Elhacham, E., Ben-Uri, L., Grozovski, J. et al. Global human-made mass exceeds all living biomass. Nature 588, 442–444 (2020). https://doi.org/10.1038/s41586-020-3010-5