Die Verbindung der wissenschaftlichen Analyse mit der Praxis als eine Möglichkeit, die menschlichen Beziehungen zur Natur mit dem Ziel der Nachhaltigkeit zu erkunden.

 

Stella Williams und Cornelia E Nauen von Mundus maris gaben eine der keynote Ansprachen auf der Konferenz "Die Schnittstelle zwischen Gesellschaft und Natur". Die Konferenz wurde von einem wissenschaftlichen Team unter Leitung von Prof. Eva Friman vom Zentrum für Nachhaltige Entwicklung an der Universität von Uppsala organisiert. Sie fand vom 1. bis 3. Oktober 2013 statt und zog fast 150 internationale Wissenschaftler und Praktiker an. Gedacht als eine ergänzende Perspektive zur sozialwissenschaftlichen Forschung, der Hauptsäule der Konferenz, konzentrierte sich das Mundus maris Team auf "Konzepte und empirischer Raum in der Nachhaltigkeitsforschung". Es hielt die Rede im Tandem, um diese lebendiger für das Publikum zu machen.

Die Rede wob drei Argumentationslinien zusammen. Für jeden davon erläuterte das Team zunächst die Konzepte und erläuterte dann anhand von praktischen Beispielen die kreative Spannung zwischen Theorie und Anwendung:

Die erste Argumentationslinie zeigte die interdisziplinäre Natur der Nachhaltigkeitsforschung auf. Sie stellt darauf ab, aus den unterschiedlichen, aber miteinander vereinbarbaren Wissensgebieten ein realistischeres Gesamtbild der Natur und der Gesellschaft zu entwickeln. Wir wollen darüber hinaus dem Syndrom der sich verändernden Maßstäbe entgegenwirken. Dieses wurde erstmals 1995 von Daniel Pauly in einer einflußreichen Veröffentlichung beschrieben. Das Phänomen besteht darin, dass wir die Neigung haben, die Erfahrungen unseres eignen Berufs- (oder Erwachsenen)lebens zum Maßstab der Bewertung unserer Umwelt zu machen, frühere bessere Zustände aber zu ignorieren. Das kann leicht dazu führen, einen bereits stark verschlechterten Zustand der Umwelt zu verteidigen anstatt auf Zurückführung in einen gesunden Zustand zu drängen. Andererseits müssen manche Maßstäbe verändert werden  – zu denken ist zB an Rassen- oder Geschlechtsdiskriminierung oder an andere 'traditionelle' Normen, die keinen Platz mehr in einer Gesellschaft haben, die nachhaltig sein will und daher nicht nur ihre Umwelt wiederherstellen, sondern auch die Bürger fair behandeln will.

Die weltweite Fischereikrise diente der Illustration der Prinzipien und um zu zeigen, wie die Nachhaltigkeitsdimensionen zum Vergleich von Fallstudien herangezogen werden können.  Mundus maris hatte auf der kürzlich im Juni 2013 in Amsterdam, Niederlande, einberufenen 7. MARE Konferenz ein Panel zu dieser Fragestellung veranstaltet.

Der zweite Argumentationsstrang drehte sich um die gewöhnlich langen Zeiträume der Akzeptanz bis Gesellschaften herausgefunden haben, wie sich ein Forschungsergebnis auf sie auswirken wird. Diese Zeiträume betragen gewöhnlich Dekaden. Die Europäische Umweltagentur hat nach 10 Jahren ihren ersten Bericht aufgefrischt: 'Late lessons from early warning' (Späte Lehren aus Frühwarnungen). Diese Zeitspanne kann verkürzt werden, wenn Wissenschaft in kritisch engagierter Weise geplant und durchgeführt wird und wenn die Fragen und Ergebnisse in bürgerfreundlicher Sprache und nicht nur im Fachjargon vermittelt werden.

Fischlineale mit den Mindestlängen ab denen häufige Fische in verschiedenen Ländern ablaichen (sich fortpflanzen) sind benutzt worden, um den Zugang zu wissenschaftlichen Ergebnissen zu vereinfachen. Speziell für Senegal und Gambia entwickelte Fischlineale haben engagierte Gespräche und viel Nachdenken in Schulen, Fischmärkten und anderswo über die Notwendigkeit ermöglicht, Fischbabies besser zu schützen. Eine einzige Herangehensweise ist sicher nicht ausreichend, des weitverbreiteten Problems Herr zu werden, aber immerhin sind viele Leute auf das Problem aufmerksam geworden und das Hilfsmittel erleichtert Verhaltensänderungen. 

Das dritte Argument der Intervention konzentrierte die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung wissenschaftlich überprüften Wissens in leicht zugänglicher Form im öffentlichen Bereich. Zusätzlich ist es wichtig, die Fakten zu einer Erzählung zu verknüpfen damit sie durch den Zusammenhang ihren eigentlichen Sinn bekommen. FishBase, das weltweite Internetarchiv über alle Fische, die bereits wissenschaftlich beschrieben sind (das sind z.Z. 32,700 Arten im Meer und im Süßwasser) ist ein gutes Beispiel.

Fische tragen den Löwenanteil zu den Fischereifängen aus dem Meer bei. Angesichts der globalisierten Überfischung haben in den letzten Jahrzehnten die Fänge von wirbellosen Tieren, wie zB Kopffüßler, Muscheln und Krebse, um das Sechsfache zugenommen. Heutzutage sind auch viele dieser Tiere, die oft auch als Fischnahrung dienten, ihrerseits überfischt und zeigen abnehmende Tendenz.

Eine Bewertung von den 53 Ländern, die für 96% der weltweiten Fischereifänge verantwortlich sind soweit sie von der Welternährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) registriert werden, zeigt ihre Nichteinhaltung des Kodex für verantwortliche Fischerei, den sie selbst ausgehandelt und angenommen haben. Diese Analyse gibt den rohen Fakten eine neue Bedeutung.

Es ist noch wirkungsvoller und anregender, eine solche Analyse oder Geschichte in eine menschliche Dimension hinunter zu deklinieren. Auf diese Weise kommen sonst oft marginalisierte Menschen, wie Kleinfischer zu Wort, von deren Produktion mehr abhängt als selbst viele Experten wahrnehmen. Unsere Videointerviews und andere Ausdrucksformen ermöglichen es Praxisperspektiven weiter zugänglich zu machen. Der Zugang zu so einer Story mit menschlichem Gesicht über die konkreten Lebensumstände der Fischer war sehr beeindruckend für die Konferenzteilnehmer. Stellas Erzählung über ihre Feldarbeit mit Fischern in Nigeria, über das, was sie den Frauen in den Fischerdörfern hatte mitteilen können und von ihnen gelernt hatte, war ein authentisches Beispiel von kritisch engagierter Forschung. Es illustriert auch, warum Mundus maris einen Großteil seiner Arbeit auf diesem Grasnarbenniveau ansiedelt und so 'den Teufel im Detail' besser verstehen kann. Hier klicken, um die Powerpoint Präsentation zu sehen.

Die Konzepte sind vielfach bereits vorhanden und warten auf Anwendung. Die genannten Beispiele zeigen, dass es machbar ist. Systematischere Zusammenarbeit mit den Sozialwissenschaften und den ihnen eigenen Herangehensweisen und Perspektiven hat ein gutes Potential, die Arbeiten zu bereichern. Auf diese Weise kann sich wechselseitige Befruchtung einstellen mit vielschichtigerer Interpretation und Verständnis, vor allem wenn sich die unterschiedlichen Perspektiven mit Respekt begegnen. Die Teilnahme an solchen Treffen und bewußte Nutzung der Konzepte in der Praxis bietet gute Vorraussetzungen für bessere Ergebnisse auf verschiedenen Ebenen, von lokalen Anwendungen bis zu regionalen und globalen Formen der Zusammenarbeit. Für mehr Informationen zur Konferenz hier klicken.