Ich lernte Mónica Edwards Schachter vor vielen Jahren in Madrid, weit weg von ihrer argentinischen Heimat, während einer Innovationstagung kennen. Obwohl wir beide intensiv in unsere jeweiligen Projekte im Zusammenhang mit der Erweiterung der Kenntnisse über den Ozean und dem Schutz der Meere eingebunden waren, sind wir über gelegentliche Kontakte in Verbindung geblieben. Die gemeinsames Begeisterung für das Ziel, Wissenschaft und Kunst für neuartige Formen des Lernens von Kindern und Erwachsenen zu verbinden, hat dazu geführt, dass sich unsere Wege anlässlich des Erscheinens ihres wunderbaren Kinderbuches Hüter des Meeres wieder gekreuzt haben.

Das Buch, das kurze Zeit später bei Amazon erhältlich war, ist Teil des Projektes MonValu. Dieses Treffen war eine ausgezeichnete Gelegenheit, mehr über das Buch zu erfahren­, das zur Zeit auf Spanisch und Englisch verfügbar, aber auch schon in französischer und portugiesischer Übersetzung befindlich ist; und die Autorin natürlich auch über ihre Zukunftspläne zu befragen.

Mónica lebt in Valencia, Spanien, und engagiert sich in Zusammenarbeit mit den örtlichen Schulen für die Weiterbildung in benachteiligten Stadtteilen. Ihre Recherchen und Anstöße für Verbesserungen haben diverse Preise gewonnen. Besondere Aufmerksamkeit fand ihr Essay 'Netzwerk für den Frieden' (redes para la Paz), der durch die Schirmherrschaft Süd-Nord der Universität von Valencia in 2004 ausgezeichnet wurde sowie auch die Auszeichnung im IBM Wettbewerb „Wissenschaft in Aktion" 2012, unterstützt durch den Spanischen Nationalen Forschungsrat, für die Entwicklung eines Rollenspiels über den Klimawandel.

F: Hallo Mónica, schön, daß ich mich anlässlich des Erscheinens von Hüter der Meere wieder auf den letzten Stand bringen kann. Was ist die Geschichte des Buches in Kürze?

A: Die Idee stammt aus einem Rollenspiel, das ich in einem fiktionalen Szenario genannt Valu entwickelt habe. Valu ist eine Metapher für Tuvalu, ein kleines Land mitten im pazifischen Ozean, das weniger als 5m über dem Meeresspiegel liegt. Ich habe über das Leben seiner Bewohner nachgedacht, da deren Verletzlichkeit letztendlich die der gesamten Menschheit repräsentiert. Daher heißt das Stück „Wir alle sind Valu". Es war der Ursprung des MonValu Projektes.

Das erste Buch erzählt von einer ganz besonderen Gemeinschaft von Sirenen und verwandten Meeresbewohnern, die uns einlädt, Hüter der Meere zu sein und einen Plan zum Schutz der Meere umzusetzen. Der kleine Sirenenjunge Kai und seine Großmutter Vanora erinnern uns an das unlösbare Band zwischen dem Leben und dem Meer und an die Worte des berühmten Forschers Jacques Cousteau: "Wir müssen den Ozean retten, wenn wir die Menschheit retten wollen."

F: Das ist wirklich berührend. Was ist die Geschichte hinter der Geschichte? Was hat Dich animiert, dieses Buch zu entwickeln?

A: Meine Erfahrung in der langjährigen Zusammenarbeit mit Gymnasiallehrern und Schülern aber auch meine Forschungsarbeit zeigen, dass wir in der Welt entsprechend unserer Wahrnehmung agieren. Diesbezüglich beunruhigt mich seit geraumer Zeit am meisten, wie wir Erwachsenen uns Kindern gegenüber verhalten. Kindheit und Erfahrungen in der Familie beeinflussen die kindliche Wahrnehmung der Welt massiv. Tatsächliche sind diese frühen Eindrücke und Gefühle entscheidend für unseren Lebensentwurf sowohl als Menschen als auch als zukünftige Bürger und Arbeitnehmer. Kinder werden heute mit neuen Herausforderungen und globalen Veränderungen konfrontiert, die für unsere Eltern noch unvorstellbar waren. Wie beeinflussen wir ihre Wahrnehmung der Welt? Wie bereiten wir Mädchen und Jungen auf die Herausforderungen des Klimawandels vor und die sich beschleunigende Digitalisierung? Um diese Fragen herum wurden die Geschichten von MonValu geschrieben in dem Versuch, die Welt so zu sehen wie Kinder sie sehen. Gleichzeitig ist die MonValu Serie Teil eines umfassenderen Projektes, das die Sichtweise des digitalen Humanismus mit nachhaltiger Entwicklung kombiniert. Die Geschichten und andere Quellen speisen sich aus meinem Wunsch, Anstöße zum Lernen zu geben und die Chancen von Kindern und Teenagern in einem schwierigen Umfeld zu verbessern.

F: Du setzt diese interessanten Charaktere ein, um die Aufmerksamkeit auf die Leiden des Ozeans und seiner Bewohner zu lenken. Trotzdem ist es keine düstere, pessimistische Geschichte. Wie schaffst Du es, Hoffnung zu vermitteln und das Gefühl, dass sich der Einsatz für einen gesunden Ozean lohnt?

A: In der Geschichte ist Kai ein kleiner und sehr neugieriger Meeresbewohner aus dem Stamm der Sirenen. Wie jedes Kind erkundert und entdeckt er die Umgebung um sich herum. Er bewundert das großartige Meer und stellt viele Fragen. Kai wird mit vielen Problemen konfrontiert, ohne dass er weiß, woher sie eigentlich kommen. Er geht an den Strand und fragt sich: Woher kommt soviel Abfall? So etwas Ähnliches hat sich ein Kind am Strand von Honduras gefragt, wie es vor kurzem passiert ist. Und wie es Kindern an vielen Orten auf diesem Planeten ergeht.

Der Schwerpunkt liegt auf den Fakten und dem Aufruf zu handeln: Ob ein Delfin Schwierigkeiten hat oder ein Albatros einen Plastikdeckel verschlucken will, die ganze Gemeinschaft kann helfen. Die eindrucksvollste Botschaft, die seine Großmutter Vanora und die Gemeinschaft der Sirenen ihm vermitteln ist, dass der sorgsame Umgang mit dem Meer etwas ist, das von Generation zu Generation weitergegeben wird und sehr kostbar ist. Ohne das Meer und ohne Wasser gibt es kein Leben. Der Körper der Sirenen, wie der von Menschen, besteht zum größten Teil aus Wasser. Neben diesem Verständnis sind eine gute Organisation und das Erarbeiten von Lösungen von Bedeutung. Außerdem gefällt mir, dass das Wort Valu, zumindest im Englischen, an den Begriff Wert (value) erinnert.

F: Was siehst Du als die größten Bedrohungen des Ozeans an?

A: Klimawandel, globale Erwärmung, und der massive Eintrag von Plastik bilden weltweit die Speerspitze. Aber die Gesundheit des Ozeans hängt von vielen Faktoren ab. Die resultierenden Herausforderungen sind komplex. Zum Beispiel der Effekt der Überfischung und die Ausbeutung der Meeresbiodiversität in Verbindung mit der Ernährung der Bevölkerung. Die Zerstörung von maritimen Lebensräumen, besonders Korallenriffen, haben dramatische Folgen für das Leben. Viele ernst zu nehmende Bedrohungen resultieren aus dem Tourismus an den Küsten und anderen wirtschaftlichen Aktivitäten, die unterschiedlichste Formen von Verschmutzung produzieren.

F: Was möchtest Du, dass deine Leser daran ändern? Wo liegen die wichtigsten Schwerpunkte für das Lernen und Handeln?

A: Hüter des Meeres und alle Bücher der MonValu Serie laden uns ein, durch emotionale Erfahrungen und Geschichtenerzählen die Werte wie Fürsorge und Nachhaltigkeit zu fördern. Alle Geschichten betonen die Entwicklung von Empathie, Phantasie, Kreativität und kritischem Denken. Sie beinhalten praktische pädagogische Hilfsmittel, mit denen zu Hause und in der Schule gearbeitet werden kann. So enthält Hüter des Meeres z.B. eine Kanban Vorlage und ein Mandala zum Ausmalen. Kanban bietet sich zur Organisation der Aktivitäten der Kinder und zur Erstellung eines guten Plans für den Schutz der Meere an. Weiterhin sieht das Projekt ein Labor vor, um gemachte Erfahrungen zu teilen und diese mitzugestalten. Dazu dienen Leitfäden für Aktivitäten und Spiele, die auf die Entwicklung von MINTK (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik und Kunst) Kompetenzen abzielen; es geht um Kreisläufe auf Papier, Verschleißteile, digitale Projekte unter Einsatz von Denken im Designmodus.

Ich denke, dass der Ozean eine Priorität in der globalen Nachhaltigkeitsagenda erhält. Viele Ziele im Bereich der Nachhaltigkeitsentwicklung sind mit den Themen Ozean und Klimawandel verbunden. Von den größten Bereichen des Ozeans wissen wir immer noch so wenig. Die meisten von uns sind sich der Rolle des Ozeans für das Leben nicht bewußt und zu welchem Grad unsere Gesundheit von der Gesundheit des Ozeans abhängt. Als Beispiel mag hier der engagierte Vater oder die Mutter dienen, die mit ihrem Baby zum ersten Mal an den Strand gehen. Obwohl dies eine der wunderbarsten Kindheitserinnerungen ist, wissen die wenigsten Kinder etwas von den Lebewesen, die die Meere bewohnen. Mit Ausnahme von Gemeinden, die ihren Lebensunterhalt mit der Fischerei verdienen, sind die meisten Menschen unwissend bezüglich der Rolle des Ozeans für die Ernährung und Medizin. In dieser Hinsicht teile ich die Ansichten der UNESCO Dekade der Meereswissenschaften für eine nachhaltige Entwicklung (2021-2030). MonValu stimmt mit diesen Zielen überein.

F: Vor einigen Jahren hast Du etwas für die UNESCO zum Thema Grundwissen über das Meer entwickelt. Kannst Du uns etwas mehr darüber erzählen? Was ist daraus geworden?

A: In 2004 habe ich ein Buch geschrieben, in dem in einer ganzheitlichen Sicht von Nachhaltigkeit und Frieden auch die Grundkenntnisse über das Meer eingeschlossen sind. Der Inhalt wurde sowohl für die Forschung als auch für den Unterricht auf unterschiedlichen Ebenen angewandt. Solche Erfahrungen zeigten viele Hindernisse zwischen einem Wechsel der Wahrnehmung und einer Verpflichtung zum Handeln auf. Die Existenz von Klimawandel und globaler Erwärmung wurden lange abgestritten. Und werden bis heute noch diskutiert. Die Bemühungen und Prozesse bei der Annäherung an die Nachhaltigkeit wurden verändert, aber die Reaktion war bislang nicht ausreichend engagiert. Bei diesem Dialog sind nur langsame Fortschritte zu erkennen.

In den letzten zwei Jahrzehnten haben sich die Spielregeln der Kommunikation und der Ermächtigung von Menschen dramatisch geändert. Wir befinden uns in einem beschleunigten Prozess der Digitalisierung, wo Nachrichten von der Rolle der sozialen Medien und digitalem Marketing, etc. abhängen und wo Emotionen dominieren. Im Umfeld der aktuellen Corona Pandemie haben wir wichtige Lektionen über das Mitgefühl, Solidarität, strategisches Handeln, aber auch die Rolle der neuen Technologien für das soziale Wohlergehen gelernt. Ermächtigung entwickelt sich zu Mitwirkung als Kraft des Handelns durch eine stärkere Zusammenarbeit auf horizontaler Ebene und ein Teilen von Erkenntnissen. Die guten Nachrichten für die Zukunft, an der wir bauen, ist, dass junge Leute und speziell die um die Jahrtausendwende Geborenen und die Generation Z sich stärker an der Nachhaltigkeit orientieren als vorherige Generationen. Nichtsdestotrotz, während wir gegen die globale e Erwärmung und Plastikverschmutzung ankämpfen, verursachen Abertausende von Einwegmasken eine enorme Menge an Plastikmüll.

F: Was sind deine nächsten Pläne?

A: Die französische und die portugiesische Version der Hüter des Meeres wird in der kommenden Woche verfügbar sein, ebenso die MonValu Webseite. Ku & Kala, eine Liebe rettet den Planeten, das zweite Buch der Serie, erscheint im kommenden November. Bei dieser lustigen Liebesgeschichte geht es um Empathie und die Macht der Veränderung.

Wir binden Aktivitäten aus unterschiedlichen kulturellen Umfeldern in unsere Labor-Gemeinschaft ein. Das ist sehr inspirierend. Wir können soviel voneinander lernen. Es laufen Gemeinschaftsprojekte für Kinder in Spanien und Portugal aber es werden hierbei auch auch Gymnasialschüler und Lehrer ausgebildet. Aufgrund der Pandemie orientieren wir mehr Ressourcen in online Veranstaltungen, bei denen wir optisches Denken und Gamifizierung einsetzen. Diese Arbeitsmittel sprechen besonders die Generation Z an, die digital und multitasking fähig, die kreativ, visuell orientiert … und sehr ungeduldig ist. Aus pädagogischer Sicht interessieren wir uns für die tatsächlichen Auswirkungen der MINTK Kenntnisse auf ihr Leben. Wir wollen z.B. wissen, inwieweit Empathiekarten, die in die MINTK Praxis eingebunden werden, sich auf Empathie für den Ozean auswirken und Selbstwertgefühle stärken. Darüberhinaus möchten wir in andere Realitäten eintauchen und herausfinden, wie Kinder aus verschiedenen Erdteilen das Meer wahrnehmen, es schützen und lieben.

F: Liebe Mónica, danke für Deine ausführlichen und informativen Antworten. Mundus maris asbl wird gerne helfen, das MonValu Buch und seine einerseits ernste aber auch sehr erfreuliche Geschichte zur verbreiten.

Die Fragen für Mundus maris stellte Cornelia E Nauen .

Die gedruckte Fassung des Buches ist bei Amazon erhältlich. Aktuell in Spanisch und Englisch, aber kurzfristig auch in anderen Sprache, wie Französisch und Portugiesisch. Die E-Book Ausgabe ist für Anfang November 2020 angekündigt.

Frühes Lob für das Buch

Die Geschichten sind eine großartige Ressource für die Entwicklung von Denkfähigkeiten bei Kindergarten- und Grundschulkindern. Mónica Edwards-Schachter bietet uns in ihren schönen Büchern auch Werkzeuge, um an Emotionen zu arbeiten und Maßnahmen zur Mobilisierung für eine nachhaltige Zukunft zu organisieren. Das ist sehr nützlich für die Lehrerausbildung."
Dr. Ileana Greca Dufranc, Professorin für Didaktik der Wissenschaften

Ein wunderschönes Buch mit einer Botschaft der Verantwortung gegenüber dem Meer und dem Schutz der Umwelt. Eine illustrierte Geschichte, um die Natur und die Auswirkungen auf den Menschen zu reflektieren und zu diskutieren."
Dr. María del Carmen Patricia Morales, Philosophin und Expertin für Ethik.