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Vorbereitung und Hintergrund der Ausstellung

 
Die unzähligen Festlichkeiten der Zweihundertjahrfeier der lateinamerikanischen Unabhängigkeiten von den ehemaligen Kolonialmächten bieten eine gute Erinnerung daran, wie vielfältig unsere Geschichte miteinander verflochten ist und bis heute lange Schatten wirft, auch wenn wir nun einige dieser relativ neuen  Entwicklungen durch verschiedene Brillen betrachten. Es gibt sicherlich mehr zu verstehen als politische und wirtschaftliche Entwicklungen, so wichtig sie auch für den Verlauf der Geschichte und unser heutiges Leben sind.

Wir (Mundus maris) wurden von CERCAL, dem Zentrum für Lateinamerika-Studien an der Freien Universität Brüssel (ULB) gebeten, eine Ausstellung zu gestalten, die den interdisziplinären Charakter eines internationalen Kolloquiums stärker entwickeln würde. Dieses Kolloquium wurde von CERCAL in Zusammenarbeit mit dem belgischen Föderalen Öffentlichen Dienst für Auswärtige Angelegenheiten zum Gedenken an die Zweihundertjahrfeiern der lateinamerikanischen Unabhängigkeiten organisiert und von der spanischen Präsidentschaft der EU und mehreren anderen Organisationen unterstützt. Der Titel des Kolloquiums war "¡Libertad! Lateinamerika / Karibik und Europa - Aus gemeinsamen Wurzeln zu einer Allianz für das 21. Jahrhundert". Es fand im Palais Egmont II in Brüssel, Belgien, am 11. und 12. Februar 2010 statt. Die Veranstaltung war ausserdem ein Beitrag im Rahmen des 175 Jahre-Feier der Freien Universität Brüssel. Die Posterausstellung wurde zum ersten Mal in dieser Gelegenheit öffentlich gezeigt.

Das Kolloquium sollte historische, politische, sozio-ökonomische Perspektiven erforschen und nach neuer gegenseitigeBefruchtung zwischen verschiedenen Bereichen der Forschung suchen. Die ökologische Dimension der Vergangenheit und die Zukunft der Beziehungen zwischen Lateinamerika, der Karibik und Europa wurden nur am Rande angesprochen. Die Ausstellung im Rahmen des Kolloquiums kann diese Lücke nicht füllen. Es ist nichtsdestoweniger eine Gelegenheit, um auf die allumfassende Natur aufmerksam zu machen, von der auch unsere Gesellschaften auf beiden Seiten des Atlantiks ein Bestandteil sind. Als Mundus maris, schenken wir natürlich besonderes den Meeren Beachtung, denen wir unser Leben verdanken und die auch die Route der ersten Begegnung durch die europäischen Entdecker Lateinamerikas war.

Die Entwicklung der Ausstellung ist eine bescheidene Erinnerung daran, dass die physikalische, biologische und soziale Welt von vor 200 Jahren noch so manche bemerkenswerte Erkenntnisse für uns heute bereithält. Zumindest glauben wir das, während wir uns fragen, wie wir „die Kurve kriegen können“, um uns auf nachhaltigere Formen des Lebens einzustellen und auf ein akzeptables Miteinander auf dem einen Planeten, den wir haben. Wir möchten sicherstellen, dass unsere Kinder und Enkel noch (oder wieder) einige der Schönheiten und die Vielfalt genießen können, die unter dem Druck menschlicher Demografie und mangelnder Nachhaltigkeit der Produktions-und Konsummuster verloren gegangen ist.

Die Internationale Initiative "Mundus maris - Wissenschaften und Künste im Dienst von Nachhaltigkeit" ist gerade auf Annäherung zwischen den verschiedenen Strängen des menschlichen Wissens und die Suche nach nachhaltigen Beziehungen mit unserer natürlichen und sozialen Umwelt angelegt. Sie ermutigt, dies in einer Weise zu tun, die uns als Teil der Natur sieht. Sie strebt danach, Schulen und junge Menschen mit in diesen Aktivitäten zu engagieren. Wir beobachten, dass Wissenschaft ohne die kritische Auseinandersetzung mit der Gesellschaft meist nur mit langen Verzögerungen bei der Bereitstellung wissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse für der Gesellschaft wirksam wird. Starke soziale und ethische Rahmenbedingungen für wissenschaftliche Forschung sind auch eine robuste Art und Weise negative unbeabsichtigte Konsequenzen zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren, die sonst auftreten können oder bereits in Erscheinung getreten sind. Das Bild von Melina Höhn des Helmholtz-Gymnasiums Hilden, Deutschland, trägt den Titel "Mutter Natur kümmert sich um ihr Kind" und ist eine künstlerische Reaktion auf die Konfrontation mit Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung.

Die Kombination der naturwissenschaftlichen Ergebnisse mit den Künsten, ästhetischer Erziehung, der Achtung und des Umgangs mit traditionellem ökologischem Wissen in verschiedenen Gesellschaften und implizite Formen des Wissens bilden ein reiche und robuste Grundlage für die Entwicklung der Zusammenarbeit im gegenseitigen Interesse, basiert auf Respekt und Nutzen über Generationen, physische, politische und andere Grenzen hinweg.

Die Ausstellung legt den Schwerpunkt auf die beispielhaften Qualitäten von Charles Darwin, der in der Epoche der Unabhängigkeit der lateinamerikanischen Staaten geboren wurde. Sein moderner, wissbegierig kritischer und aufgeschlossener Ansatz kann uns auch heute noch vieles lehren. Er hat bereits zu seiner Zeit Bedenken geäußert, dass Überfischung das Überleben der marinen Lebenswelt und der Menschen an der Südspitze des Kontinents bedrohen könnte. Er konnte aber nicht wissen, wie weitreichend der Ansturm der modernen Technologien, nur wenig mehr als ein Jahrhundert später, die marinen und litoralen Ökosysteme und ihre menschlichen Bewohner beeinträchtigen würde.

Die Plakate dieser Ausstellung zeigen nur einige Facetten, wie sich wissenschaftliches Verständnis entwickelt hat. Wir "stehen auf den Schultern von Riesen", wie Darwin einer war. Sie zeigen auch, dass es möglich ist, die Wissenschaft über die Fachkreise hinauszutragen - sehr viel mehr in den öffentlichen Raum, wo sie während Darwins Zeiten war und dort auch ernsthaft und öffentlich diskutiert wurde. Alle, auch Künstler und Schulen mit ihren Jugendlichen sind eingeladen, sich in die Aneignung und Nutzung der Wissenschaften einzumischen.

Engagement ist hier gewünscht im Austausch von Wissen auf verschiedenen Ebenen, in der Einladung zu eigener kritischen Untersuchung und Ausdruck. Engagement soll auch nicht bei der Diagnose haltmachen, sondern, aktiv zusammen mit anderen, nachhaltige Alternativen zu der tiefen Krise in Natur und Gesellschaft umsetzen, die uns alle betrifft. Wir sind nicht alle in gleicher Weise betroffen, aber gemeinsam werden wir mehr Möglichkeiten erkennen, als die meisten von uns allein, befangen in ihrem täglichen Leben. Dies ergibt sich aus der Forschung und wird auch von den jungen Menschen erlebt, die sich auf die Reise begeben. Wir laden die Besucher ein, sich zu uns zu gesellen und ihre Perspektiven und aktive Solidarität zu den nächsten Schritten der Reise beizutragen.